AKTIVITÄTEN 2016

2016 hat der Verein die kommunalwissenschaftliche Informations- und Bildungsarbeit fortgesetzt. Für das Berichtsjahr waren folgende Maßnahmen geplant:

  1. Veranstaltung von Workshops, Seminaren, Enqueten und Diskussionsveranstaltungen, die der Erforschung und Diskussion von Fragen der Kommunal- und Gesellschaftspolitik dienen
  2. Die Vergabe von Studien und Publikationen zu historischen Aspekten wie aktuellen Problemen der Kommunal- und Gesellschaftspolitik sowie Studienreisen
  3. Führung einer Bibliothek, eines Archivs sowie die Erstellung von Dokumentationen

Näheres kann aus folgender Detailübersicht entnommen werden:

Enqueten, Workshops und Diskussionsveranstaltungen

Workshop „Visionen für Wien“

  • 22. März 2016, 18.00 Uhr, jeweils Falkestraße 1
  • 29. März 201618.00 Uhr
  • 5. April 201618.00 Uhr
  • 12. April 2016 18.00 Uhr

Längerfristige Visionen gehen in der Alltagspolitik oft verloren. Im Rahmen mehrerer gleichzeitig moderierter Runden wurde mit Schwerpunkt auf junge Erwachsene erarbeitet, wie Wien in zehn, 20 oder 30 Jahren aussehen könnte bzw. sollte. Die Diskussionen wurden anhand folgender zentraler Zukunftsfragen strukturiert:

  • Wie sehe ich meine persönliche Zukunft in Wien?
  • Wie soll mein unmittelbares Lebensumfeld aussehen?
  • Wie will ich in 10,20, 30 Jahren wohnen?
  • Welche Ausbildung möchte ich für meine (potenziellen) Kinder?
  • Wie will ich mich im Wien der Zukunft fortbewegen?
  • Wie will ich meine Freizeit verbringen?
  • Wie und in welchem Umfeld will ich mein Alter verbringen?

Die so generierten Visionen wurden in einem weiteren Schritt zu folgenden Clustern zusammengefasst:

  • Die Zukunft Wiens in (Mittel-)Europa (Stadtaußenpolitik mit Schwerpunkt Mitteleuropa als konkrete Aufgabe für Wien mit Aspekten in den Bereichen Kultur, Bildung, Wirtschaft und Verkehr)
  • Arbeiten in Wien (Wirtschaft & Beschäftigung; bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie)
  • Wien innovativ (Forschung, Innovation und Wissenschaft als Zukunftsaufgabe)
  • Menschenwürdig leben in Wien (Fragen der Gesundheit, Pflege, Behinderte, „klassische“ kommunale Sozialpolitik)
  • Wien kreativ (Kultur, Kreativsektor)
  • Bildung in Wien (Aus- und Weiterbildung in allen politischen Kontexten)
  • Zusammenleben in Wien – unterschiedliche Bedürfnisse, gleiche Rechte und Pflichten (Sicherheit, Miteinander der Generationen, Integrationsfragen, Rolle der Bürger- bzw. Zivilgesellschaft, Aufwertung der Ehrenamtlichkeit)
  • Lebenswelt Wien (Verkehr, Stadtplanung/Architektur, Wohnen, Umwelt als kreativer Querschnitt)
  • Die angemessene Stadt (Was soll Stadt leisten, wo soll sie sich nicht einmischen? – Aspekte der Verwaltung, Demokratie usw.)

Präsentation des Buches „Reform als Auftrag“

(5. Oktober 2016, 18.30 Uhr, Marmorsaal des Regierungsgebäudes Stubenring)

An diesem Abend wurde im Marmorsaal des Regierungsgebäudes Stubenring das Buch „Reform als Auftrag“ über Josef Klaus und Erhard Busek vorgestellt. Sowohl Josef Klaus – ehemaliger Kanzler, Finanzminister und Salzburger Landeshauptmann – als auch Erhard Busek – Vizekanzler, Wissenschaftsminister und Wiener Vizebürgermeister außer Dienst – galten und gelten als wichtige Reformer für Österreich. Durch ihre Ideen, Worte und Taten strebten sie danach, der mitteleuropäischen Christdemokratie ein modernes Gesicht zu verleihen.

Zu wissenschaftlichen und essayistischen Beiträgen, in denen Busek und Klaus einzeln wie gemeinsam betrachtet werden, trat ein Block an Interviews mit Zeitzeugen und Weggefährten. Bewusst wurden auch Interviews, die bereits 1989 mit den beiden Persönlichkeiten vor allem über deren Programmatik geführt wurden, aber auch ein umfangreicher Bildteil, in den Band aufgenommen.

Hausherr Staatssekretär Harald Mahrer konnte über 100 Personen begrüßen, unter ihnen zahlreiche Vertreter aus Wissenschaft und Politik. Der ebenfalls anwesende Erhard Busek hielt unter dem Titel „Mut zur Reform – in Österreich und (Mittel-)Europa“ den Hauptvortrag ein Plädoyer für stärkere Kooperation Österreichs mit seinen Nachbarstaaten, wie dies schon Josef Klaus praktiziert hatte, während die Herausgeber in Aufbau und Gestaltung des Bandes einführten.

Workshop „Reformmöglichkeiten der Verwaltung in Wien“

(27. Oktober 2016, 16.00 Uhr, Falkestraße 1)

Im Herbst 2016 wurden von der Wiener Stadtregierung vier Innovationsgruppen eingerichtet, die sich unter dem Motto „Wien neu denken“ mit längerfristigen Strukturreformen, Deregulierungen und Vereinfachung der Verwaltung auseinandersetzen sollen. Auch das Lueger-Institut folgte diesem Beispiel und lud im Rahmen eines moderierten Workshops Vertreterinnen und Vertreter des Vereins- und Verbandswesens, Unternehmerinnen und Unternehmer sowie engagierte Einzelpersonen ein, ihre Standpunkte darzulegen.

Als wichtigster Schwerpunkt der Gespräche kristallisierte sich rasch das Gesundheitswesen heraus. Wiener Spitäler verzeichnen sowohl im stationären wie im ambulanten Bereich höhere Kosten als andere Bundesländer (der Abstand beträgt laut EcoAustria jeweils rund 20 Prozent!). Die Absenkung der Kosten durch eine effiziente Straffung der Strukturen (Durchleuchtung bzw. Beseitigung von Doppelstrukturen, Stärkung des niedergelassenen Bereichs) läge bei über einer halben Milliarde Euro pro Jahr. Patientinnen- und Patientenvertreter beklagten bürokratische Behandlung durch Organe des Fonds Soziales Wien.

Fast ebenso wichtig war den Teilnehmenden die Beseitigung von Hemmnissen im Bereich der Unternehmungsgründung und –führung, wobei die Palette von der Vereinfachung der Gewerbeanmeldung über Vereinfachungen im Bereich Bauordnung und Betriebsanlagenverfahren bis zu einer Gebühren- und Abgabensenkung reicht.

Vereinsfunktionärinnen und –funktionäre betonten die Notwendigkeit einer höheren Transparenz betreffend Grundlagen der Genehmigung bzw. Nichtgenehmigung von Subventionen und Förderungen. Auch an das Wiener Budget wurde die Forderung nach verständlicher Aufbereitung und Darstellung im Sinne der Bürgerfreundlichkeit gestellt.

Oberste Prämisse aller Reformvorhaben müssten dabei Effizienz und Professionalität im Management, klare strategische Zielvorgaben und Kontrollen durch Stadtrechnungshof und Gemeinderat eingeräumt werden.

Symposium „Der freie Bürger und seine Feinde“

(17. November 2016, 18.30 Uhr, Rathausstraße 10)

Im Mittelpunkt dieser Veranstaltung mit Teilnehmenden aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft ging es um die Interessen jener urbanen Bevölkerungsgruppen, die die reichen Möglichkeiten zur Entfaltung des Individuums in der Stadt verantwortungsbewusst nutzen möchten, die Werteorientierung in Verbindung mit urbaner Großzügigkeit suchen, denen ihr persönlicher Freiheitsraum ebenso wichtig ist wie die nachhaltige Sicherheit ihres Lebensraumes.

Die Befriedigung der Bedürfnisse nach Freiheit und Sicherheit als Eckpfeiler „neuer Bürgerlichkeit“ treffen sich in einem Prinzip: jenem der Qualität in Abgrenzung zum Streben nach bloßer Quantität: Der Mensch tritt kraft seiner Begabung mit Freiheit und Vernunft mit der Gabe der Kreativität auf, die ihn über die übrige Schöpfung erhebt und an der schöpferischen Kraft teilhaben lässt. Befähigt zur Selbstreflexion, Selbstüberschreitung und planender Vorausschau, ist er zur Gestaltung der natürlichen Umwelt und der sozialen Mitwelt berufen. Er kann in freier Entscheidung selbstbestimmt handeln und die Unterscheidung zwischen Gut und Böse treffen. Sein Tun und Lassen ist ihm zuzurechnen. Er ist also in der Lage, qualitative Handlungen zu setzen bzw. qualitative Ideen zu entwickeln.

Zum Themenkreis einer so verstandenen „neuen Bürgerlichkeit“ gehört auch die Anerkennung und Aufwertung des bürger- bzw. zivilgesellschaftlichen Engagements. Dieses ist – auch im kommunalen Kontext – kein Ersatz für öffentliches Engagement, sondern idealerweise Ergänzung. Engagierte, freie Bürgerinnen und Bürger wollen sich nicht als Lückenbüßer missverstanden wissen. Im Sinne der Subsidiarität sind Politik und Bürgergesellschaft gemeinsam aufgerufen, zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen in der Großstadt beizutragen, etwa in den Bereichen:

  • Wandel der Familienstruktur: Wie können beispielsweise Alltagssolidaritäten erbracht werden, die früher von Familien übernommen wurden?
  • Arbeitslosigkeit, verbunden mit einem „Herausfallen aus der Gesellschaft“: Wie kann der gesellschaftliche Integrationsprozess unterstützt werden?
  • längere Lebenszeiten, langes Leben nach der Erwerbsphase, viele ressourcenstarke alte Bürger: Wie können die oft brach liegenden Potenziale der „gewonnenen Generation“ genutzt werden?
  • veränderte Natur sozialer Probleme in Großstädten: Wie können Bürger-Netzwerke zur Problemlösung aktiviert/mobilisiert werden?
  • Etablierung einer „Kultur der Anerkennung“ als Anreizsystem für bürgergesellschaftliches Engagement: Wie können ehrenamtsfeindliche Strukturen, die durch Überstandardisierung und Überbürokratisierung gekennzeichnet sind, beseitigt werden? Auf welche Art und Weise könnten sich soziale Einrichtungen flexibler auf Angebote hilfsbereiter Bürger einlassen?

Eigenverantwortung, Leistung und Exzellenz sind Schlüsselbegriffe für dieses Milieu. Es sucht Liberalität, die nicht zu Hedonismus pervertiert ist, und grenzt sich von strukturkonservativen Strömungen ab, deren Träger aus Angst vor der Zukunft möglichst nichts verändern möchten. „Frei“ und „sicher“ sind dabei die Eckpfeiler einer städtischen Chancengesellschaft, in der die individuelle Entfaltungsmöglichkeit der Bürgerinnen und Bürger ebenso gewährleistet ist wie subsidiäre materielle und immaterielle Unterstützung für jene, die ihrer bedürfen. Die Möglichkeit, Eigentum aufzubauen und zu erhalten, wäre dabei eine wesentliche Säule für eine freie Gesellschaft. Als größtes Hemmnis bei der persönlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Entfaltung gelten politische und bürokratische Bevormundung.

Studien und Publikationen

„Strategien zur Vermeidung leerstehender Geschäfte“

(P3 publics, presentations and political Solutions)

Über 1.000 Geschäftslokale stehen in Wien leer, während auf der anderen Seite die Verkaufsflächen in Einkaufszentrum – oft am Stadtrand – und der Online-Handel zunehmen. Dadurch besteht die Gefahr der Verarmung oder gar Verödung gewachsener Einkaufsstraßen oder Stadtteilzentren. Ziel dieser Studie war die Recherche nach und Dokumentation von Best practice-Modellen, um leerstehende Geschäftslokale durch zumindest temporäre Nutzung wieder zu beleben. Die Palette der Modelle reicht dabei von temporären Büchereien („begehbarer Bücherschrank“), Indoor-Spielplätzen und „Dinner im Leerstand“ über Projekt- und Eventräumlichkeiten bis hin zu Pop up-Stores (vorübergehend geöffnete Geschäfte für spezielle Sortiments, um Aufmerksamkeit zu gewinnen oder Produktideen zu testen) oder Coworking Space (unterschiedliche Personen arbeiten unabhängig voneinander im gleichen Raum, etwa Kreative oder freiberuflich Tätige; die Büroinfrastruktur wird gemeinsam genützt).

Zum Anreiz für derartige kreative Modelle schlägt die Studie die Etablierung von Fördermöglichkeiten vor, wobei bestehende Schienen für oben skizzierte Modelle adaptiert werden könnten. Förderbare Kosten wären etwa Sachkosten, Investitionskosten, Kosten für Detailstudien oder Marketingmaßnahmen. Die Förderquote hätte bei bis zu 75 Prozent der eingesetzten Mittel zu liegen; als maximale Projektdauer wären drei drei Jahre festzulegen. Die Einreichung erfolgt mittels Online-Förderantrag. Der Förderantrag ist vor Projektbeginn zustellen. Die Bewertung der Anträge erfolgt durch eine Jury. Als Förderkriterien werden langfristige Wirkung, Innovationsgehalt, Originalität und Kreativität vorgeschlagen.

Studienreise USA

(2.-10. November 2016)

Im November 2016 wurde in den USA ein neuer Präsident gewählt. Ab Februar liefen die Vorwahlen, die bereits ein erstes Stimmungsbild abgaben und zu überraschenden Resultaten führten. Wer sind die Kandidaten, die Barack Obama ins Weiße Haus nachfolgen wollen? Welche Rolle spielen die Parteien im politischen System der USA? Und welche Trends werden in den politischen Kampagnen der Kandidaten und Parteien gesetzt?

Die Studienreise, an der ein Vertreter des Vereins teilnahm, diente in erster Linie der Beobachtung des US-Präsidentschaftswahlkampfs, konnte aber auch für den Meinungsaustausch zu stadtpolitischen Themen in New York und Washington D.C. genutzt werden. Dabei standen Gespräche mit Vertretern beider relevanten Parteien (Wahlkampf-Plattformen, regionale Repräsentanten) ebenso am Programm wie mit Medienleuten, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie NGOs.

Auszug aus dem Programm:

  • Treffen mit Steven Hankin, CEO von Lincoln Park Strategies (Meinungsforschung & Strategie): „The Polls one Week before Election Day“
  • Treffen mit Shane D’Aprile, Herausgeber von Campaigns & Elections (größte Fachzeitschrift der US Politik&Kampagnen-Szene): „The State of the Race – Campaign Tactics Overview“
  • Besuch bei Target Smart (führendes Daten- und Technologie-Unternehmen)
  • Besuch bei Blue State Digital Washington (Kampagnenagentur von Barack Obama 2008 und 2012)
  • Besuch bei DDC Advocacy: Treffen mit Sara Fagen, Partner (former Political Director White House for President Bush)

Druckkostenbeitrag für Sonderband 1 des Jahrbuchs für politische Beratung

Spätestens die österreichische Bundespräsidentenwahl 2016, bei der die Kandidaten der Regierungsparteien weit abgeschlagen bereits in der ersten Runde ausschieden, machte den nachhaltigen politischen Wandel in diesem Land manifest. Ist die Zweite Republik also nicht nur de facto, sondern auch de jure an ihrem Ende angelangt? Es bedarf einer umfassenden Staatsreform, einer Neudefinition des Verhältnisses von Sphären wie Staat und Person, Wirtschaft und Gesellschaft, Arbeit und Umwelt, Kultur und Politik etc. zueinander.

Im internationalen Vergleich folgt auf eine umfassende Adaption in der Regel eine „neue“ Republik als Terminus. Im österreichischen Kontext wäre es die „Dritte“. Während die einen den Begriff unterstützen, melden die anderen Vorbehalte dagegen an. Analog zu früheren Ausgaben des Jahrbuchs für politische Beratung wollen in diesem Sonderband Beiträge aus diversen Disziplinen einen solchen Prozess des manifesten Wandels analysieren und kommentieren, Rahmenbedingungen klären und konkrete Reformvorschläge skizzieren, darunter etwa Erhard Busek, Thomas Hofer, Andreas Khol, Hannah M. Lessing, Oliver Marchart, Alfred J. Noll, Anton Pelinka, Fritz Plasser, Kathrin Stainer-Hämmerle oder Ruth Wodak.

Das Dr. Karl Lueger-Institut unterstützte die Drucklegung des Werks mit einem Druckkostenbeitrag.

Bibliothek/Archiv

Der Aufbau der Bibliothek musste 2016 aus Budgetgründen leider stark reduziert werden. Der Schwerpunkt der erworbenen Titel lag auf rechtswissenschaftlichen Werken.

Für ausgewählte Bereiche der Kommunal- und Gesellschaftspolitik besteht ein Archiv an Zeitungs- und Fachzeitschriftenartikeln. Folgende Titel werden ausgewertet:

  • Kronen Zeitung
  • Kurier
  • Österreich
  • Die Presse
  • Salzburger Nachrichten
  • Der Standard
  • Wiener Zeitung
  • Falter
  • Furche
  • News
  • Profil
  • Spiegel
  • Trend
  • Die Zeit

Investitionen

Im Zuge der Modernisierung der Kommunikationsinfrastruktur wurden zwei Laptops der Marke Dell Latitude E 5470 angeschafft.

Wien, 30. März 2017

Mag. Christian Mertens
Geschäftsführer